Die de-Community
Die Zeiten haben sich geändert. Während OpenOffice.org noch vor einigen Jahren weitgehend nur in Insiderkreisen bekannt war, erfreut es sich heute allgemeiner Bekanntheit und das nicht nur im Linux-Umfeld, sondern auch bei vielen Anwendern der Windows-Plattform. Besondere Aufmerksamkeit erhält derzeit die sich noch in Entwicklung befindende Version, die nativ unter MacOS lauffähig ist. Dies zeigen aktuelle Download-Zahlen und Umfragen, und auch der steigende Zulauf in Anwenderforen und Mailinglisten. Immer seltener ist es notwendig, auf den einschlägigen IT-Messen im deutschsprachigen Raum zu erläutern, was sich hinter dem Namen OpenOffice.org verbirgt.
So positiv dies auch ist, diese Bekanntheit bezieht sich in der Regel auf das Produkt, also die freie Office-Suite, die sich im Grunde ständig mit dem Quasi-Standard messen lassen muss. Weniger bekannt ist das Projekt OpenOffice.org, die Quelle aus der alle Entwicklungen, Ideen und Strategien hervorkommen. Die aktiven Community-Mitglieder kennen die üblichen Vorgehensweisen, Werkzeuge und wichtigen Personen und finden sich im Projekt gut zurecht. Völlig anders sieht es mit den Anwendern aus, die einen ersten Blick in dieses Dickicht an ungeschriebenen Gesetzen und nur rudimentär vorhandenen Hierarchien blicken. Tatsächlich hat die Community mit dieser Erkenntnis nicht selten zu kämpfen. Die Wahrnehmung dieser beiden Gruppen ist oft sehr unterschiedlich und stößt bei der jeweils anderen Gruppe zuweilen auf Unverständnis.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Überlegungen Außenstehender, warum ein Projekt wie OpenOffice.org überhaupt funktioniert und insbesondere „wer das alles bezahlt“, alteingesessene Projektmitglieder eher zum Schmunzeln bringen. Andersherum scheint man als aktiver Mithelfer manchmal den Blick für die Außenwelt zu verlieren, sei es bei der Bewertung der Relevanz eines gewünschten Features oder wenn man auf ein neues Projektmitglied stößt, das sich im Dschungel des OpenOffice.org-Projekts verirrt hat.Organisation oder Chaos?
Anders als in einem normalen wirtschaftlich handelnden Unternehmen, in dem es mal mehr und mal weniger flache Hierarchien gibt, ist in einem OpenSource-Projekt zunächst grundsätzlich nicht klar, wer hier das Sagen hat oder wer die generelle Richtung bestimmt. Zwar gibt es für die vielen Bereiche offizielle Vertreter, die zum Teil durch aufwändige Verfahren von der Community gewählt wurden, jedoch legitimiert dies keineswegs dazu, anderen Anweisungen zu geben oder eigenmächtig einen dem Community-Sinn widersprechenden Weg einzuschlagen.
Meine Erfahrung mit dem Projekt OpenOffice.org hat mir eindeutig gezeigt, dass in Communities wie OpenOffice.org die Selbstregulierung hervorragend funktioniert. Und auch wenn es beizeiten turbulent zugeht, ist das langfristige Ergebnis immer im mehrheitlichen Sinne der Community.
Die Aufgaben im Projekt OpenOffice.org sind so unterschiedlich und auch umfangreich, dass bereits zu Beginn der Projektarbeit verschiedene Unterprojekte ins Leben gerufen wurden, um die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte besser abgrenzen zu können. In jedem dieser Unterprojekte gibt es einen Projektleiter (Lead) und mindestens einen Vertreter (Co-Lead), Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Ob diese ernannt oder mittels eines Verfahrens gewählt werden, entscheiden die Unterprojekte jeweils selbst. Die Projektleiter nehmen für ihren Bereich koordinierende Aufgaben wahr, administrieren Mailinglisten und vergeben für Projektmitglieder Schreibzugriffe, z.B. für die Webseiten. Darüber hinaus sind ihre Aufgabenbereiche in der Regel nicht fest definiert – sie agieren in Abstimung mit den anderen Projektmitgliedern.
Die Community im Tagesgeschäft
Wie in den meisten OpenSource-Projekten erfolgt die Kommunikation üblicherweise über einen der vielen „Online“-Wege. Zentraler Informations- und Kommunikationspunkt sind immer die Mailinglisten, auf denen alles Relevante besprochen und koordiniert wird. Die Anzahl der verfügbaren Listen ist sehr hoch, sodass es kaum möglich ist, alle OpenOffice.org Listen mitzulesen. Allein das deutschsprachige Projekt hat für die verschiedenen Teilbereiche 11 verschiedene Mailinglisten eingerichtet. In der letzten Zeit hat auch das Medium irc (internet relay chat) an Bedeutung gewonnen, um sich mit anderen Projektmitgliedern zeitgleich auszutauschen. Für bestimmte Zwecke werden irc-Meetings abgesprochen. In den verschiedenen Channels sind im Grunde rund um die Uhr Projektmitglieder erreichbar.Quelle: OpenOffice.org-Artikel aus dem Open-Source-Jahrbuch 2008 von Jacqueline Rahemipour und André Schnabel